Wir untersuchen die Belastung eines ebenen Stabwerks. Die Stäbe haben wie skizziert die Länge ℓ bzw. ℓ/2.
Die Struktur wird mit der Kraft F belastet.
Gesucht ist ein Vergleich zwischen der klassischen Stabwerkstheorie und einer Herangehensweise, bei der wir eine feste Verbindung der Stäbe in den Knoten ansetzten. Grundlage des Modells ist die analytische Lösung der Felddifferentialgleichung.
In der klassischen Stabwerkstheorie (rechts) werden nur die Stab-Längskräfte berücksichtigt – das Ersatzmodell bildet die Verbindungen der Stäbe durch Gelenke ab. Trotzdem wurden die Stäbe in der Ausführung mit Knotenblechen vernietet oder verschweißt – von Gelenk also keine Spur.
Wir untersuchen, welchen Einfluss diese Vereinfachung auf die berechneten Belastungen der Struktur hat. Hier sollen die beiden Modell-Varianten – also die Modellierung mit Gelenken einerseits und Knotenblechen andererseits – miteinander verglichen werden. Gesucht ist die analytische Lösung der beiden Randwertprobleme und ein Vergleich.
Lösung mit Maxima
Wir nutzen das Computer-Algebra-System Maxima zur Lösung. Das macht Sinn, weil wir eine große Anzahl von Gleichungen verwalten müssen.
Declarations
Wir beginnen mit der Einführung von passenden Bezeichnungen für unser System:
In Knoten I und II sind gelenkige Lager. Stäbe 1,2 und 3 sind im Knoten III verbunden, Stäbe 2 und 4 im Knoten II und Stäbe 3 und 4 im Knoten IV.
Jeder Stab – hier Stab k mit den Knoten I und J – trägt sein eigenes xk, zk – Koordinatensystem und ist im Winkel αk zur Horizontalen eingebaut. Hier sind α2 = 60° und α3 = -60° sowie α1 = 0 und α4 = 0.
Als Systemparameter je Stab definieren wir vier Stablängen und die jeweils identischen Steifigkeiten für Dehnung und Biegung. Der Querschnitt der Stäbe sei ein doppeltsymmetrisches Profil mit der Querschnittsfläche und dem Flächenmoment .
Für das Referenzmodell, das unser System als Stabwerk mit gelenkigen Verbindungen erfasst, wählen wir die Stabkräfte Si als Zugkräfte und schreiben folgende Gleichgewichtsbedingungen an:
Die Stabkräfte dazu sind
.
1+1
Ein Randwertproblem besteht aus den Gleichgewichtsbedingung im Feld - der Felddifferentialgleichung - und den Randbedingungen.
Diese schreiben wir im Folgenden auf:
Die Lösung der Felddifferentialgleichung
Wenn wir die Stäbe in den Knotenpunkten fest verbinden, wird das System statisch überbestimmt – wir müssen die Verformungen des Systems berücksichtigen. Durch die geometrische Anordnung der Stäbe sind die Längs- und Querverformung der vier Stäbe miteinander gekoppelt. Wir müssen also zwei Differentialbeziehungen berücksichtigen:
in Stab-Längsrichtung mit und
in Stab-Querrichtung mit .
Für Stab 3 sieht dies folgendermaßen aus:
Die Differentialbeziehungen des Gleichgewichts in u und w sowie deren Lösungen für unsere Stäbe sind
mit den Lösungen
Für den Kippwinkel des Balkens nutzen wir zusätzlich
.
Die Schnittkräfte im Stab ergeben sich dann aus
Diese Schnittgrößen jeweils am positiven und negativen Schnittufer sind hier dargestellt:
1+1
Randbedingungen: Kinematische Verträglichkeit der Knotenverschiebungen
In den Knoten hat jetzt jeder Stab seine eigenen, lokalen Koordinaten der Verschiebung
,
wobei i den Knoten und k den Stab indexiert. Die Verdrehung des Knotens nennen wir
.
Die Verdrehungen der Knoten an den Enden sind in unserem 2D-System natürlich für jeden Stab gleich - wir führen den Index k hier nur ein, damit wir eine gleiche Nomenklatur für alle Koordinaten haben.
Damit diese Koordinaten miteinander verträglich sind, führen wir ein Referenzsystem „0“ mit den entsprechenden Koordinaten der Auslenkung in horizontale und vertikale Richtung ein:
Diese verschiedenen Koordinatensysteme müssen wir ineinander umrechnen. Das können wir anschaulich tun – wie hier im Beispiel für Knoten III und Stab 3 und finden
Oder wir wählen einen formalen Ansatz mit der Euer-Transformationsmatrix
,
mit der wir die obige kinematische Beziehung aus
gewinnen. Die gesuchten kinematischen Beziehungen erhalten wir für 4 Stäbe an ihren jeweiligen Enden zu
Alle Gleichungen zu den Drehwinkeln sind - im besten Sinne des Wortes - trivial. Wir nehmen sie hier trotzdem mit, um die Systematik nicht zu brechen.
1+1
Randbedingungen: die kinematischen Zwangsbedingungen an den Lagern
Zusätzlich zur kinematischen Verträglichkeit müssen wir auch noch die Randbedingungen in Knoten I und II anschrieben:
1+1
Randbedingungen: Kräfte und Momente in den Knoten
Es fehlen noch die Gleichgewichtsbedingungen für die Knotenpunkte. Wir erhalten für jeden Knoten – außer denen der Lager – zwei Kraft- und ein Momentengleichgewicht. Für die Lager-Knoten können wir nur die Momentengleichgewichte anschreiben – ohne neue Unbekannte für die Lager-Reaktionskräfte einzufügen.
Die Schnittbilder je Knoten erhalten wir, indem wir die Schnittgrößen an den entsprechenden Schnittufern anzeichnen und dann die Gleichgewichtsbedingungen je Knoten ansetzen.
Auch hier arbeiten wir der Eulerschen Drehmatrix, um diese Arbeit zu formalisieren.
Für Knoten III:
Für Knoten IV:
Für Knoten I und II gewinnen wir jeweils nur die Momentenbilanzen, da wir die Lagerreaktionskräfte nicht als Unbekannte einführen wollen:
Der gesuchte Satz an Gleichgewichtsbedingungen für die vier Knoten lautet dann
1+1
Solving
Wir wählen hier zur Lösung der linearen Gleichungen einen Ansatz, bei dem wir die lokalen Ansatzfunktionen für die Schnittkräfte und die Verschiebungen schon in die Gleichungen der kinematischen Verträglichkeit und des Gleichgewichts einsetzten.
So erhalten wir z.B. aus
die Gleichung
.
Und aus der Momentenbilanz für Knoten IV erhalten wir entsprechend
Durch das Einsetzen der Lösungen für uk(xk) und wk(xk) haben wir als Unbekannte nur noch je Stab die 6 Integrationskonstanten Cij,Dij sowie je Knoten die Knotenverschiebungen Koordinaten Uk0, Wk0 und Φk0, also die 36 Unbekannten
Für das lineare Gleichungssystem
ist also
Für deren Lösung stehen 4 Randbedingungen, 8 Gleichgewichtsbedingungen und 24 kinematische Verträglichkeitsbeziehungen – also 36 Gleichungen - zur Verfügung. Diese Gleichungen müssen sukzessive in die Matrix A und die rechte Seite des Gleichungssystems eingearbeitet werden.
Maxima liefert dann die Lösungen für unsere 36 Unbekannten.
Wir erhalten z.B. für die Normalkraft in Stab 3 den Ausdruck
der für η=0 (die Biegesteifigkeit ist Null)
.
liefert – also die Lösung für das vereinfachte Stabwerk.
1+1
Postprocessing
Wir tragen für alle Stäbe das Verhältnis Ni/Si auf:
Wenn die Biegesteifigkeit der Stäbe klein wird, konvergiert unsere Lösung der Normalkräfte also gegen die einfache Stabwerkslösung.
Bleibt noch zu klären, ob die Spannungen durch die Biegung im Querschnitt ebenfalls vernachlässigbar klein bleiben.
Dazu benötigen wir die Ausdrücke für
,
die wir in die Gleichungen für die Normalspannungen im Querschnitt durch Normalkraft und Biegemoment einsetzten. Für die grafische Darstellung nutzen wir die Referenzspannung
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von numpedia. Durch die Nutzung von numpedia erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.