Gelöste Aufgaben/FEC1/FEC1 - Teil I: System Strukturieren: Unterschied zwischen den Versionen

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==Aufgabenstellung==
== 1) Aufgabenstellung ==
Bei einem Abgas-Turbolader treten Probleme im Betrieb auf, bei denen die Schaufeln entweder des Impellers oder der Turbine zerstört werden.[[Datei:FEAC-01.png|mini|Lageplan]]Untersuchen Sie die Bereiche dynamischer Stabilität eines Turboladers anhand eines linearisierten Modells.
Bei einem Abgas-Turbolader treten Probleme im Betrieb auf, bei denen die Schaufeln entweder des Impellers oder der Turbine zerstört werden.[[Datei:FEAC-01.png|mini|Lageplan]]Untersuchen Sie die Bereiche dynamischer Stabilität eines Turboladers anhand eines linearisierten Modells.


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* Drehzahl: bis zu 220.000 U/min
* Drehzahl: bis zu 220.000 U/min


Die Bauteile eines Turboladers zeigt dieses Schnittbild:
[[Datei:Turbocharger_transparent_background.png|left|mini|300x300px|Turbocharger: Farben leider getauscht zum Modell oben.<br/>Quelle: Quentin Schwinn (NASA) [Public domain], via Wikimedia Commons.]]
{| class="wikitable"
Die Bauteile eines Turboladers zeigt dieses Schnittbild.
!Abgasturbolader im Schnitt
|-
|[[Datei:Turbocharger_transparent_background.png|alternativtext=|mini|300x300px|Turbocharger|links]]


* <sub>links die Turbinenseite (Impeller, Abgas des Motors),</sub>
* links die Turbinenseite (Impeller, Abgas des Motors),
* <sub>rechts der Verdichter (Turbine, für Ansaugluft des Motors)</sub>
* rechts der Verdichter (Turbine, für Ansaugluft des Motors).


<sub>Quelle: Quentin Schwinn (NASA) [Public domain], via Wikimedia Commons</sub>
<sub>Farben leider getauscht zum Modell oben.</sub>
|}
'''TEIL I: Declarations''' Quelle erweitern<span class="collapse-spinner-wrapper"></span>
'''TEIL I: Declarations''' Quelle erweitern<span class="collapse-spinner-wrapper"></span>


Wir untersuchen die Welle mit Impeller und Turbine auf dynamische Instabilität des linearisierten Modells.
Wir untersuchen die Welle mit Impeller und Turbine auf dynamische Instabilität des linearisierten Modells.


== 2) Aufgabe präzisieren ==
==Aufgabe präzisieren ==
Der Turbolader besteht aus
Der Turbolader besteht aus


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# Die Lager - meist Gleichlager (SFD, squeeze film dampers) oder FRBs (floating ring bearing) - modellieren wir sehr rudimentär (keine Dämpfung, Rückstellkräfte nur in Auslenkungsrichtung).
# Die Lager - meist Gleichlager (SFD, squeeze film dampers) oder FRBs (floating ring bearing) - modellieren wir sehr rudimentär (keine Dämpfung, Rückstellkräfte nur in Auslenkungsrichtung).


Die Bewegungsgleichungen des Systems stellen wir mit dem Prinzip der virtuellen Verrückungen auf. Aus der Literatur zur Dynamik von rotierenden Systemen erwarten wir als Bewegungsgleichung ein System, das so aussieht:
Die Bewegungsgleichungen des Systems stellen wir mit dem [[Werkzeuge/Gleichgewichtsbedingungen/Arbeitsprinzipe der Analytischen Mechanik/Prinzip der virtuellen Verrückungen|Prinzip der virtuellen Verrückungen]] auf. Aus der Literatur zur Dynamik von rotierenden Systemen erwarten wir als Bewegungsgleichung ein System, das so aussieht:


<math>\underline{\underline{M}} \; \underline{\ddot{Q}} + \underline{\underline{G}} \; \underline{\dot{Q}} + \left( \underline{\underline{K}}_C \cos(2\Omega t)+\underline{\underline{K}}_S \sin(2 \Omega t)+\underline{\underline{K}}_0 \right) \; \underline{Q} = \underline{P}(t)</math>
::<math>\underline{\underline{M}} \; \underline{\ddot{Q}} + \underline{\underline{G}} \; \underline{\dot{Q}} + \left( \underline{\underline{K}}_C \cos(2\Omega t)+\underline{\underline{K}}_S \sin(2 \Omega t)+\underline{\underline{K}}_0 \right) \; \underline{Q} = \underline{P}(t)</math>


mit
mit
<math>\begin{array}{ccl}\underline{Q}&:&\text{Spaltenmatrix der System-Koordinaten}\\
::<math>\begin{array}{ccl}\underline{Q}&:&\text{Spaltenmatrix der System-Koordinaten}\\
\underline{\underline{M}}&:& \text{Massenmatrix (symmetrisch)}\\
\underline{\underline{M}}&:& \text{Massenmatrix (symmetrisch)}\\
\underline{\underline{G}}&:& \text{Gyroskopische Matrix (antimetrisch)}\\
\underline{\underline{G}}&:& \text{Gyroskopische Matrix (antimetrisch)}\\
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# die Erregung durch Unwuchten führt zu sehr großen Amplituden des Systems;
# die Erregung durch Unwuchten führt zu sehr großen Amplituden des Systems;
# die Anteile der Gyroskopischen Matrix (mit ihren negativen Einträgen) führen zu Instabilität oder
# die Anteile der Gyroskopischen Matrix (mit ihren negativen Einträgen) führen zu Instabilität oder
# die periodischen Koeffizienten des Systemes führen zu Instabilität (vgl. Kw30);
# die periodischen Koeffizienten des Systemes führen zu Instabilität (vgl. [[Gelöste Aufgaben/Kw30|Kw30]]);


== 3) System strukturieren ==
==System strukturieren==
{{MyCodeBlock|title=Header|text=
Wir strukturieren unser System "Turboladerwelle", indem wir es gedanklich weiter in Teilsysteme unterteilen:
[[Datei:Abmessungen.png|mini|Abmessungen]]
[[Datei:Abmessungen.png|mini|Abmessungen]]
Wir strukturieren unser System "Turboladerwelle", indem wir es gedanklich weiter in Teilsysteme unterteilen:
<table class="wikitable">
{| class="wikitable"
<tr><th>#</th><th>ID</th><th>Teilsystem</th></tr>
!#
<tr><td>1</td><td>''S''</td><td>Shaft (Welle)</td></tr>
!ID
<tr><td>2</td><td>''I''</td><td>Impeller-Rad</td></tr>
!
<tr><td>3</td><td>''T''</td><td>Turbinen-Rad</td></tr>
|-
<tr><td>4</td><td>''B<sub>i</sub></td><td>Bearing "i" (Lager); i = B, C</td></tr>
|1
<tr><td>5</td><td>''U<sub>i</sub></td><td>Unbalance "i" (Unwucht)</td></tr>
|'''''S'''''
</table>
|Shaft (Welle)
[[Datei:3D-view.png|mini|3D-Ansicht|alternativtext=|200x200px]]
|-
 
|2
|'''''I'''''
|Impeller-Rad
|-
|3
|'''''T'''''
|Turbinen-Rad
|-
|4
|'''''B<sub>i</sub>'''''
|Bearing "i" (Lager); ''i = B, C''
|-
| colspan="1" |5
| colspan="1" |'''''U<sub>i</sub>'''''
| colspan="1" |Unbalance "i" (Unwucht)
|}
[[Datei:3D-view.png|mini|3D-Ansicht]]
Die ausgezeichneten Punkte auf der Turbolader-Welle sind
Die ausgezeichneten Punkte auf der Turbolader-Welle sind


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Für jedes Teilsystem führen wir nun Koordinaten ein.
Für jedes Teilsystem führen wir nun Koordinaten ein.
|code=
<syntaxhighlight lang="lisp" line start=1>
/*******************************************************/
/* MAXIMA script                                      */
/* version: wxMaxima 18.10.1                          */
/* author: Andreas Baumgart                            */
/* last updated: 2018-12-29                            */
/* ref: Turbo-Charger dynamic instability              */
/* description: derives the equations of motion for    */
/*              a rotating shaft and rigid wheels      */
/*******************************************************/
load (lapack)$  /* use lapack for numerics            */
fpprintprec : 3$ /* and choose low number of printed dig*/
/*******************************************************/
/* declare additional greek variables */
declare("δW", alphabetic); /* virtual displacement / work */
declare("δV", alphabetic); /* virtual displacement */
declare( "Φ", alphabetic, "δΦ", alphabetic); /* rotation / virtual rotation */
declare( "Ψ", alphabetic, "δΨ", alphabetic); /* rotation / virtual rotation */
declare( "ℓ", alphabetic); /* lengths */
declare("δΠ", alphabetic); /* virtual strain energy */
declare("Δk", alphabetic); /* k[3]-k[2] */
declare("δr", alphabetic); /* virtual displacement vector (column matrix) */
/* indices used:
t ... total
I ... compressor
T ... turbo
S ... shaft
B ... bearing
U ... unbalance
*/
/* Euler - Rotations */
D[1](phi) := matrix([1,0,0],[0,cos(phi),+sin(phi)],[0,-sin(phi),cos(phi)]);
D[2](phi) := matrix([cos(phi),0,-sin(phi)],[0,1,0],[+sin(phi),0,cos(phi)]);
D[3](phi) := matrix([cos(phi),+sin(phi),0],[-sin(phi),cos(phi),0],[0,0,1]);
/* ... linearized */
DL[2](phi) := matrix([1,0,-phi],[0,1,0],[+phi,0,1]);
DL[3](phi) := matrix([1,phi,0],[-phi,1,0],[0,0,1]);
/* trigonometric replacements */
trigReplace : [sin(Omega*t)^2=1-cos(Omega*t)^2, cos(Omega*t)^2=(cos(2*Omega*t)+1)/2, cos(Omega*t)=sin(2*Omega*t)/sin(Omega*t)/2];
/* parameters .... */
params: [[J[i] = m[i]*R^2/4,m[i] = %pi*R^2*w*rho, m[S] = rho*A*ℓ, k[4]=3*EI/ℓ^3],
        /* bearing locations */
        [xi = 1/3, xi=2/3],
        /* reference time */
        [omega[0,0]=2*%pi/T]];
</syntaxhighlight>
}}


=== Referenz-Zustand ===
{{MyNoncodeBlock|title=Referenz-Zustand|text=
Dabei brauchen wir unabhängige Koordinaten - also materielle Koordinaten der Struktur - und abhängige Koordinaten -also (zeitabhängige) Koordinaten, die die Bewegung des Systems beschrieben.
Dabei brauchen wir [[Sources/Lexikon/unabhängige Koordinaten|unabhängige Koordinaten]] - also materielle Koordinaten der Struktur - und [[Sources/Lexikon/abhängige Koordinaten|abhängige Koordinaten]] -also (zeitabhängige) Koordinaten, die die Bewegung des Systems beschrieben.
[[Datei:2D-view-coordinate-system-0.png|mini|Referenzlage]]
[[Datei:2D-view-coordinate-system-0.png|mini|Referenzlage|alternativtext=|200x200px]]
Wir beginnen mit einer Skizze der Turbolader-Welle im Referenz-Zustand: das heißt: keine Verschiebung, keine Verdrehung, keine Verformung.  
Wir beginnen mit einer Skizze der Turbolader-Welle im Referenz-Zustand: das heißt: keine Verschiebung, keine Verdrehung, keine Verformung.  


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Dabei gehen wir gedanklich eine chronologische Abfolge von Bewegungen durch, die das Referenzsystem in das verformte System überführt.
Dabei gehen wir gedanklich eine chronologische Abfolge von Bewegungen durch, die das Referenzsystem in das verformte System überführt.
}}


=== Drehung der Welle ===
===Drehung der Welle===
Unsere Turbolader-Welle dreht sich. Durch die Drehung wird unser materielles Koordinatensystem aus dem ursprünglichen Koordinatensystem "herausgedreht".  
Unsere Turbolader-Welle dreht sich. Durch die Drehung wird unser materielles Koordinatensystem aus dem ursprünglichen Koordinatensystem "herausgedreht".  
[[Datei:2D-view-coordinate-system-1.png|mini|Drehung des Referenz-Koordinatensystems]]
[[Datei:2D-view-coordinate-system-1.png|mini|Drehung des Referenz-Koordinatensystems|alternativtext=|200x200px]]
Wir nennen das ursprüngliche, nicht mitgedrehte Koordinatensystem "Inertialsystem" und kennzeichnen es durch den Index "''0''".
Wir nennen das ursprüngliche, nicht mitgedrehte Koordinatensystem "Inertialsystem" und kennzeichnen es durch den Index "''0''".


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So ist z.B.
So ist z.B.
<math>y_1 = y_0\cdot \cos(\Omega t) - z_0\cdot\sin(\Omega t)</math>.
::<math>y_1 = y_0\cdot \cos(\Omega t) - z_0\cdot\sin(\Omega t)</math>.
Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass die Drehgeschwindigkeit konstant ''Ω'' ist, der Drehwinkel also ''Ω t''.
Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass die Drehgeschwindigkeit konstant ''Ω'' ist, der Drehwinkel also ''Ω t''.


Für unser System brauchen wir einen Ansatz, der diese Transformation - und weitere - formalisiert (→ Drehmatrix).
Für unser System brauchen wir einen Ansatz, der diese Transformation - und weitere - formalisiert ([[Sources/Lexikon/Drehmatrix|→ Drehmatrix]]).


=== Auslenkung des Wellen-Querschnitts ===
=== Auslenkung des Wellen-Querschnitts ===
Jeder Querschnitt der elastischen Welle mit der materiellen Koordinate ''x<sub>1</sub> (= x<sub>0</sub>'') erfährt eine Auslenkung in die ''y<sub>1</sub>''- und ''z<sub>1</sub>''-Richtung von jeweils ''v(x<sub>0</sub>,t)'' und ''w(x''<sub>0</sub>'',t)''.
Jeder Querschnitt der elastischen Welle mit der materiellen Koordinate ''x<sub>1</sub> (= x<sub>0</sub>'') erfährt eine Auslenkung in die ''y<sub>1</sub>''- und ''z<sub>1</sub>''-Richtung von jeweils ''v(x<sub>0</sub>,t)'' und ''w(x''<sub>0</sub>'',t)''.
[[Datei:2D-view-coordinate-system-3.png|mini|200x200px|Auslenkungen ''u, v'']]
[[Datei:2D-view-coordinate-system-3.png|mini|200x200px|Auslenkungen ''u, v'']]
Die Verschiebungen schreiben wir im materiellen (mitdrehenden) Koordinatensystem an - dann können wir mit den Standard-Ausdrücken für die Virtuelle Formänderungsenergie für einen Stab arbeiten. Die ist nämlich unabhängig davon, ob der Stab sich dreht - oder nicht.
Die Verschiebungen schreiben wir im materiellen (mitdrehenden) Koordinatensystem an - dann können wir mit den Standard-Ausdrücken für die [[Sources/Lexikon/Virtuelle Formänderungsenergie|Virtuelle Formänderungsenergie]] für einen Stab arbeiten. Die ist nämlich unabhängig davon, ob der Stab sich dreht - oder nicht.


Entlang der Welle sind ''A, B, C'' und ''D'' ausgezeichnete Punkte, hier definieren wir für die Verschiebungen in ''z<sub>1</sub>''-Richtung:
Entlang der Welle sind ''A, B, C'' und ''D'' ausgezeichnete Punkte, hier definieren wir für die Verschiebungen in ''z<sub>1</sub>''-Richtung:


<math>\begin{array}{cccl}
::<math>\begin{array}{cccl}
w(0,t)&:=&W_A(t)& \text{ (Impeller-Schwerpunkt)}\\
w(0,t)&:=&W_A(t)& \text{ (Impeller-Schwerpunkt)}\\
w(\ell_1,t)&:=&W_B(t)& \text{ (Lager B)}\\
w(\ell_1,t)&:=&W_B(t)& \text{ (Lager B)}\\
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Der Punkt ''A'' der Welle ist mit der Nabe des Impellers fest verbunden - die Verschiebung des Impeller-Schwerpunktes ist also
Der Punkt ''A'' der Welle ist mit der Nabe des Impellers fest verbunden - die Verschiebung des Impeller-Schwerpunktes ist also
<math>\begin{array}{ccc}V_A(t)&\ldots&\text{Verschiebung in }y_1\text{-Richtung}\\W_A(t)&\ldots&\text{Verschiebung in }z_1\text{-Richtung}\end{array}</math> .
::<math>\begin{array}{ccc}V_A(t)&\ldots&\text{Verschiebung in }y_1\text{-Richtung}\\W_A(t)&\ldots&\text{Verschiebung in }z_1\text{-Richtung}\end{array}</math> .
[[Datei:2D-view-coordinate-system-4.png|mini|189x189px|Kippwinkel ''Φ<sub>A</sub>'']]
[[Datei:2D-view-coordinate-system-4.png|mini|189x189px|Kippwinkel ''Φ<sub>A</sub>'']]
Die Verdrehung des Impeller-Rades ist
Die Verdrehung des Impeller-Rades ist
<math>\begin{array}{ccc}\Omega\;t&\ldots&\text{Verdrehung um die }x_0\text{-Achse.}\end{array}</math>,
::<math>\begin{array}{ccc}\Omega\;t&\ldots&\text{Verdrehung um die }x_0\text{-Achse.}\end{array}</math>,
der Drehwinkel wird mit der Zeit immer größer.
der Drehwinkel wird mit der Zeit immer größer.


Die Verdrehungen um die ''y<sub>1</sub>''- und ''z<sub>1</sub>''-Achse dagegen sind sehr klein - es sind die Kippungen
Die Verdrehungen um die ''y<sub>1</sub>''- und ''z<sub>1</sub>''-Achse dagegen sind sehr klein - es sind die Kippungen
<math>\begin{array}{ccc}\Phi_A(t)&\ldots&\text{Kippung um die }y_1\text{-Achse},\\\Psi_A(t)&\ldots&\text{Kippung um die }z_1\text{-Achse}\end{array}</math> .
::<math>\begin{array}{ccc}\Phi_A(t)&\ldots&\text{Kippung um die }y_1\text{-Achse},\\\Psi_A(t)&\ldots&\text{Kippung um die }z_1\text{-Achse}\end{array}</math> .
Damit wir einen konsistenten Anschluss an die Ansatzfunktionen der Finite Elemente Methode schaffen, wählen wir hier
Damit wir einen konsistenten Anschluss an die [[Randwertprobleme/Methoden zur Lösung von Randwertproblemen/FEM: Trial-Functions für kubische Ansatz-Polynome|Ansatzfunktionen]] der [[Randwertprobleme/Methoden zur Lösung von Randwertproblemen/Finite Elemente Methode|Finite Elemente Methode]] schaffen, wählen wir hier


<math>\begin{array}{ccc}\Phi_A(t)&=&w'(0,t)\\\Psi_A(t)&=&v'(0,t)\end{array}</math>
::<math>\begin{array}{ccc}\Phi_A(t)&=&w'(0,t)\\\Psi_A(t)&=&v'(0,t)\end{array}</math>


und das bedeutet: die Kippung um die ''y<sub>1</sub>''-Achse ist positiv definiert entgegen der Konvention für eine positive Drehung!
und das bedeutet: die Kippung um die ''y<sub>1</sub>''-Achse ist positiv definiert entgegen der Konvention für eine positive Drehung!
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Unwuchten resultieren aus Masseverteilungen, bei denen der Gesamt-Schwerpunkt des Systems nicht wie beabsichtigt in Punkt ''A'' auf der ''x<sub>1</sub>''-Achse liegt oder die Deviationsmomente, z.B.
Unwuchten resultieren aus Masseverteilungen, bei denen der Gesamt-Schwerpunkt des Systems nicht wie beabsichtigt in Punkt ''A'' auf der ''x<sub>1</sub>''-Achse liegt oder die Deviationsmomente, z.B.


<math>\displaystyle J_{yz} = -\int_V y\;z \;\; dV</math>
::<math>\displaystyle J_{yz} = -\int_V y\;z \;\; dV</math>


nicht verschwinden, also  
nicht verschwinden, also  
<math>\displaystyle J_{xy} \neq 0, \;\;\displaystyle J_{yz} \neq 0, \;\;\displaystyle J_{xz} \neq 0.</math> .
::<math>\displaystyle J_{xy} \neq 0, \;\;\displaystyle J_{yz} \neq 0, \;\;\displaystyle J_{xz} \neq 0.</math> .
Diese Unwucht können wir in unser System "künstlich" einbauen, im Impeller, indem wir in Punkt ''A'' eine gedachte starre "Hantel" mit einer Exzentrizität ''e'' unter einem Winkel φ einbauen.
Diese Unwucht können wir in unser System "künstlich" einbauen, im Impeller, indem wir in Punkt ''A'' eine gedachte starre "Hantel" mit einer Exzentrizität ''e'' unter einem Winkel φ einbauen.
[[Datei:Unwucht.png|mini|150x150px|Modellierung einer Unwucht.]]
[[Datei:Unwucht.png|mini|150x150px|Modellierung einer Unwucht.]]
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Die Verschiebung und Verdrehung jedes Teils der Turbolader-Welle haben wir damit eindeutig festgelegt - jetzt können wir daran gehen, die Gleichgewichtsbedingungen - das mathematische Modell - anzuschreiben.
Die Verschiebung und Verdrehung jedes Teils der Turbolader-Welle haben wir damit eindeutig festgelegt - jetzt können wir daran gehen, die Gleichgewichtsbedingungen - das mathematische Modell - anzuschreiben.


Weiter in [[Gelöste Aufgaben/FEC1/FEC1 - Teil II: Das Modell erstellen|Teil II]] .
[[Gelöste Aufgaben/FEC1/FEC1 - Teil II: Das Modell erstellen|Weiter in Teil II ]] .

Aktuelle Version vom 26. Februar 2021, 17:06 Uhr

Aufgabenstellung

Bei einem Abgas-Turbolader treten Probleme im Betrieb auf, bei denen die Schaufeln entweder des Impellers oder der Turbine zerstört werden.

Lageplan

Untersuchen Sie die Bereiche dynamischer Stabilität eines Turboladers anhand eines linearisierten Modells.

Gegeben:

  • Gesamtlänge: 120 mm, Gesamt-Gewicht: 1000 g
  • Drehzahl: bis zu 220.000 U/min
Turbocharger: Farben leider getauscht zum Modell oben.
Quelle: Quentin Schwinn (NASA) [Public domain], via Wikimedia Commons.

Die Bauteile eines Turboladers zeigt dieses Schnittbild.

  • links die Turbinenseite (Impeller, Abgas des Motors),
  • rechts der Verdichter (Turbine, für Ansaugluft des Motors).

TEIL I: Declarations Quelle erweitern

Wir untersuchen die Welle mit Impeller und Turbine auf dynamische Instabilität des linearisierten Modells.

Aufgabe präzisieren

Der Turbolader besteht aus

  • Gehäuse,
  • Turbolader-Welle,
  • dem Schmieröl-Kreislauf für die Lager und
  • den Strömungen aus Abgas- und Ansaugluft des Motors

Welche Teile müssen wir betrachten - welche können wir weglassen? Das weiß man - wissen wir hier - nicht.

Wenn das System zu einfach ist, eliminieren wir den verantwortlichen Mechanismus, den wir suchen.

Wenn das System zu kompliziert ist, wird es zu teuer (Geld, Ressourcen, Zeit).

Es gibt nur einen Weg: vom Einfachen zum Komplexen. Wir beginnen mit (und hören in diesem Beispiel auch auf mit) dem Bauteil, das wir in jedem Fall modellieren müssen: der Turbolader-Welle.

Sie besteht aus

  • Welle
  • Impeller- und Turbinen-Rad sowie den
  • Lagern.

Wir treffen weitere Entscheidungen:

  1. Unser Modell soll nur die Strukturmechanik erfassen - die Interaktion mit der Abgas- und Ansaugluft des Motors  berücksichtigen wir nicht.
  2. Wir untersuchen die elastische Welle mit
  3. aufgesetztem starrem Impeller- und Pumpenrad.
  4. Bewegungen in Richtung der Turbolader-Welle betrachten wir nicht.
  5. Eine elastische Verdrillung der Welle betrachten wir nicht.
  6. Dämpfung berücksichtigen wir nicht.
  7. Die Lager - meist Gleichlager (SFD, squeeze film dampers) oder FRBs (floating ring bearing) - modellieren wir sehr rudimentär (keine Dämpfung, Rückstellkräfte nur in Auslenkungsrichtung).

Die Bewegungsgleichungen des Systems stellen wir mit dem Prinzip der virtuellen Verrückungen auf. Aus der Literatur zur Dynamik von rotierenden Systemen erwarten wir als Bewegungsgleichung ein System, das so aussieht:

mit

.

Solche Systeme können aus drei Gründen dynamisch instabil werden:

  1. die Erregung durch Unwuchten führt zu sehr großen Amplituden des Systems;
  2. die Anteile der Gyroskopischen Matrix (mit ihren negativen Einträgen) führen zu Instabilität oder
  3. die periodischen Koeffizienten des Systemes führen zu Instabilität (vgl. Kw30);

System strukturieren

Header

Wir strukturieren unser System "Turboladerwelle", indem wir es gedanklich weiter in Teilsysteme unterteilen:

Abmessungen
#IDTeilsystem
1SShaft (Welle)
2IImpeller-Rad
3TTurbinen-Rad
4BiBearing "i" (Lager); i = B, C
5UiUnbalance "i" (Unwucht)
3D-Ansicht

Die ausgezeichneten Punkte auf der Turbolader-Welle sind

A: Schwerpunkt des Impeller-Rades,

B: Lager-Mittelpunkt des linken Lagers,

C: Lager-Mittelpunkt des rechten Lagers,

D: Schwerpunkt des Turbinen-Rades.

Für jedes Teilsystem führen wir nun Koordinaten ein.


/*******************************************************/
/* MAXIMA script                                       */
/* version: wxMaxima 18.10.1                           */
/* author: Andreas Baumgart                            */
/* last updated: 2018-12-29                            */
/* ref: Turbo-Charger dynamic instability              */
/* description: derives the equations of motion for    */
/*              a rotating shaft and rigid wheels      */
/*******************************************************/
load (lapack)$   /* use lapack for numerics            */
fpprintprec : 3$ /* and choose low number of printed dig*/

/*******************************************************/
/* declare additional greek variables */
declare("δW", alphabetic); /* virtual displacement / work */
declare("δV", alphabetic); /* virtual displacement */
declare( "Φ", alphabetic, "δΦ", alphabetic); /* rotation / virtual rotation */
declare( "Ψ", alphabetic, "δΨ", alphabetic); /* rotation / virtual rotation */
declare( "ℓ", alphabetic); /* lengths */
declare("δΠ", alphabetic); /* virtual strain energy */
declare("Δk", alphabetic); /* k[3]-k[2] */
declare("δr", alphabetic); /* virtual displacement vector (column matrix) */

/* indices used:
t ... total
I ... compressor
T ... turbo
S ... shaft
B ... bearing
U ... unbalance
*/

/* Euler - Rotations */
D[1](phi) := matrix([1,0,0],[0,cos(phi),+sin(phi)],[0,-sin(phi),cos(phi)]);
D[2](phi) := matrix([cos(phi),0,-sin(phi)],[0,1,0],[+sin(phi),0,cos(phi)]);
D[3](phi) := matrix([cos(phi),+sin(phi),0],[-sin(phi),cos(phi),0],[0,0,1]);
/* ... linearized */
DL[2](phi) := matrix([1,0,-phi],[0,1,0],[+phi,0,1]);
DL[3](phi) := matrix([1,phi,0],[-phi,1,0],[0,0,1]);

/* trigonometric replacements */
trigReplace : [sin(Omega*t)^2=1-cos(Omega*t)^2, cos(Omega*t)^2=(cos(2*Omega*t)+1)/2, cos(Omega*t)=sin(2*Omega*t)/sin(Omega*t)/2];

/* parameters .... */
params: [[J[i] = m[i]*R^2/4,m[i] = %pi*R^2*w*rho, m[S] = rho*A*ℓ, k[4]=3*EI/ℓ^3],
         /* bearing locations */
         [xi = 1/3, xi=2/3],
         /* reference time */
         [omega[0,0]=2*%pi/T]];




Referenz-Zustand

Dabei brauchen wir unabhängige Koordinaten - also materielle Koordinaten der Struktur - und abhängige Koordinaten -also (zeitabhängige) Koordinaten, die die Bewegung des Systems beschrieben.

Referenzlage

Wir beginnen mit einer Skizze der Turbolader-Welle im Referenz-Zustand: das heißt: keine Verschiebung, keine Verdrehung, keine Verformung.

Den Ursprung unseres Koordinaten-Systems legen wir in Punkt A, die x-Achse durch die Schwerpunkte der Wellen-Querschnittsflächen. y- und z-Achse legen wir senkrecht dazu in jeweils horizontale und vertikale Richtung.

Von dieser Referenzlage aus beschrieben wir die Bewegung des Systems sowohl verbal als auch über abhängige Koordinaten, die wir im folgenden einführen.

Dabei gehen wir gedanklich eine chronologische Abfolge von Bewegungen durch, die das Referenzsystem in das verformte System überführt.

Drehung der Welle

Unsere Turbolader-Welle dreht sich. Durch die Drehung wird unser materielles Koordinatensystem aus dem ursprünglichen Koordinatensystem "herausgedreht".

Drehung des Referenz-Koordinatensystems

Wir nennen das ursprüngliche, nicht mitgedrehte Koordinatensystem "Inertialsystem" und kennzeichnen es durch den Index "0".

Das zweite, mit der Welle rotierende Koordinatensystem kennzeichnen wir durch den Index "1".

Die Bewegung eines materiellen Punktes (x0,y0,z0) können wir nun also durch Transformationen mit sin- und cos-Funktionen auf ihre Position in der Referenzlage im Inertialsystem "zurückrechnen". Und damit auch deren Beschleunigung berechnen und die D'Alembert'sche Trägheitskraft anschreiben.

So ist z.B.

.

Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass die Drehgeschwindigkeit konstant Ω ist, der Drehwinkel also Ω t.

Für unser System brauchen wir einen Ansatz, der diese Transformation - und weitere - formalisiert (→ Drehmatrix).

Auslenkung des Wellen-Querschnitts

Jeder Querschnitt der elastischen Welle mit der materiellen Koordinate x1 (= x0) erfährt eine Auslenkung in die y1- und z1-Richtung von jeweils v(x0,t) und w(x0,t).

Auslenkungen u, v

Die Verschiebungen schreiben wir im materiellen (mitdrehenden) Koordinatensystem an - dann können wir mit den Standard-Ausdrücken für die Virtuelle Formänderungsenergie für einen Stab arbeiten. Die ist nämlich unabhängig davon, ob der Stab sich dreht - oder nicht.

Entlang der Welle sind A, B, C und D ausgezeichnete Punkte, hier definieren wir für die Verschiebungen in z1-Richtung:

Analog machen wir das für v(x1,t) in y1-Richtung.

Starrkörper-Bewegung von Impeller- und Turbinen-Rad

Der Impeller-Schwerpunkt erfährt eine Translation in y1- und z1-Richtung (die Verschiebung in x-Richtung haben wir ausgeschlossen) sowie eine Drehungen um die x1-, y1- und z1-Achse.

Koordinaten der Drehung.

Wir brauchen also vier (abhängige) Koordinaten und den vorgegebene Drehwinkel, um die Bewegung des Pumpenrades eindeutig zu beschrieben.

Der Punkt A der Welle ist mit der Nabe des Impellers fest verbunden - die Verschiebung des Impeller-Schwerpunktes ist also

.
Kippwinkel ΦA

Die Verdrehung des Impeller-Rades ist

,

der Drehwinkel wird mit der Zeit immer größer.

Die Verdrehungen um die y1- und z1-Achse dagegen sind sehr klein - es sind die Kippungen

.

Damit wir einen konsistenten Anschluss an die Ansatzfunktionen der Finite Elemente Methode schaffen, wählen wir hier

und das bedeutet: die Kippung um die y1-Achse ist positiv definiert entgegen der Konvention für eine positive Drehung!

Für das Turbinen-Rad gelten die gleichen Konventionen, wir tauschen also bei den Indices nur das "A" gegen ein "D".

Starrkörper-Bewegung der Unwuchten

Unwuchten resultieren aus Masseverteilungen, bei denen der Gesamt-Schwerpunkt des Systems nicht wie beabsichtigt in Punkt A auf der x1-Achse liegt oder die Deviationsmomente, z.B.

nicht verschwinden, also

.

Diese Unwucht können wir in unser System "künstlich" einbauen, im Impeller, indem wir in Punkt A eine gedachte starre "Hantel" mit einer Exzentrizität e unter einem Winkel φ einbauen.

Modellierung einer Unwucht.

Wir haben

  • für e ≠ 0, φ = 0 eine reine statische Unwucht,
  • für e = 0, φ 0 eine reine dynamische Unwucht

eingebaut.

Diese Unwucht hat die gleichen Bewegungs-Koordinaten wie das Impeller-Rad - wir denken uns Hantel und Rad fest verbunden.

Wir werden sehen, dass die Unwucht bei der Berechnung der Instabilität keine wesentliche Rolle spielt - aber wir könnten diese Unwucht natürlich auch in der Turbine einbauen.

Die Verschiebung und Verdrehung jedes Teils der Turbolader-Welle haben wir damit eindeutig festgelegt - jetzt können wir daran gehen, die Gleichgewichtsbedingungen - das mathematische Modell - anzuschreiben.

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